Die „Enttüchtigung durch On Demand“ - oder der Verlust menschlicher Kontakte

 

Feinheit des Unterdchiedes - © Alfred Rhomberg

 

In dem Parallel-Magazin „Igler Reflexe“ wurde bereits ein ausführlicher Beitrag zu Themen wie „Burnout, Stress und Entschleunigung“ geschrieben - diesen allgemeinen Betrachtungen zum Thema Burnout wäre wenig hinzuzufügen, wenn nicht die neuerdings aufblühende „On Demand-Industrie“ durch immer neue startups auch neue Gefahren bergen würde, derer sich der moderne Mensch oft gar nicht mehr bewusst ist und denen man sich teilweise wohl auch nicht mehr völlig entziehen kann. Der UBER-Taxidienst, die Anlieferung von Fertiggerichten ins Büro oder nach Hause (1), ganz besonders das tatsächlich nicht mehr verzichtbare Online-banking sind selbstverständlich geworden. Lebensmittel werden ins Haus geliefert, Bücher im „Kindle“ am Tablet gelesen, Medienunternehmen wie SKY (und viele andere) liefern Filme auf den Fernsehapparat, Opern sind per Life-Stream abrufbar („das Kino zu Hause) - das alles verspricht weniger Stress.

 

Stress hat zwar eine evolutionäre Bedeutung als Anpassung um Belastungen leichter zu ertragen aber es gibt inzwischen Methoden (u.a. Seminare), um eine gewisse Stresstoleranz zu erlernen. Allgemein gilt jedoch der Grundsatz:

 

Der Stress nimmt zu – und: Stress ist ungesund!

 

Dem steht entgegen:

 

Stress ist zu einem Großteil lebenswichtig!

 

Die letzte Behauptung führt selbstverständlich zu der Frage: Was ist schon lebenswichtig?

 

Diese Frage kann deswegen nicht befriedigend beantwortet werden, weil lebenswichtige Notwendigkeiten nicht nur vom physischen oder mentalen Gesundheitszustand abhängen, sondern ganz besonders von den kulturellen und sozialen Ansprüchen, die wir an unser eigenes Leben stellen.

 

Zur Verdeutlich einige Beispiele (die Beispiele liefern gleichzeitig die Antwort)

 

1). Als ich (meist mit Freunden) früher regelmäßig ins Kino ging, war der eigentliche Film aus heutiger Sicht oft zweitrangig – in der Studentenzeit führten wir anschließend meist Gespräche über „Gott und die Welt“ und in späteren Jahren ging frau/man dann in ein Restaurant, genoss den Abend, führte zwar keine tiefschürfenden Gespräche (über „Gott und die Welt“) mehr, unterhielt sich jedoch über lebensnähere Themen des täglichen Alltags - oft führte dies zu echter „guter“ Konversation.

 

2). Meine Bankgeschäfte erledige ich zwar hauptsächlich durch Online-banking, besuche jedoch trotzdem gelegentlich meinen Bankberater – entweder um mir seine neuesten Angebote anzuhören oder zumindest darüber zu diskutieren, warum ich seine Angebote auf gar keinen Fall akzeptiere. ich Als ehemaliger Wirtschaftspublizist guter Zeitungen bin ich selbst nicht ganz unbedarft, höre jedoch auch heute noch gerne Fremdmeinungen an (einen Teil meines Wissens habe ich durch solche Gespräche erlernt).

 

3). Life-Streaming von Opern und Konzerten: Der Bildschirm kann noch so groß bzw. „HD“ sein – es fehlt der prickelnde Reiz des Konzertsaales, besonders fehlen die eigenen Perspektiven und Augenblicksemotionen. In den Pausen treffe ich Bekannte und diskutiere u.a. über die Opernaufführung. Bei Life-Streaming bin ich auf die Kameraeinstellungen bzw. die vorbereiteten Sichtweisen und Sichtwinkel der Kameraleute angewiesen.

 

4). Lebensmittelzustellung nach Hause (womöglich auch noch online bestellt): Dadurch geht jedes Gefühl für Qualitätsunterschiede verloren (außer bei Toilettenpapier, Mineralwasser, diversen Biersorten...) – oder ist Ihnen der herrliche Geruch einer guten reifen Zuckermelone oder eines duftenden frischen Brotes oder das Gemüse am Bauernmarkt nichts mehr wert? Sogar verpackte Fleischsorten oder Käsesorten eines Ihnen bekannten Herstellers sind bekanntlich nie gleichwertig und sollten „vorort“ verglichen werden.

 

5). Zwar würde ich Möbel oder Einrichtungsaccessoirs durchaus bei IKEA, Lutz und wie die Ketten alle heißen, kaufen – aber nie online nach den Vorschlägen eines Papier- oder Online-Katalogs. Noch mehr gilt dies naturgemäß (?) für Kleidungsstücke!

 

6). Wer kennt nicht (oder vielleicht nicht mehr) die überbordende Fülle einer guten Buchhandlung und die beratenden Gespräche mit ausgebildeten Buchhändlerinnen? Gerne stöbere ich bei solchen Besuchen in anderen Büchern herum und frage nach weiteren lesenswerten Büchern.

 

Und zum Schluss: Weiß ich überhaupt noch, wie man eine hübsche Frau anspricht oder gar zu einem Rendezvous einlädt? Über Facebook oder Paarvermittlungsagenturen sicher nicht – obwohl ich von erfolgreichen solchen Begegnungen gehört habe! Selbst beim harmlosen Flirt hört „On Demand“ wohl eher auf?

 

(Redigierte Fassung 14.11.2016, Erstfassung Juli 2016)

 

(1) http://www.n-tv.de/wirtschaft/wirtschaft_startupnews/On-Demand-Dienste-helfen-beim-Stressabbau-article17742666.html

 

 

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