Der Geist der stets bejaht

 

Happiness - © Alfred Rhomberg

 

 

Im Faust (Goethe) sagt Mephistopheles „Ich bin der Geist der stets verneint“ – heute würde Goethe Mephisto vielleicht sagen lassen: „Ich bin der Geist der stets bejaht…“. In einigen meiner Beiträge wurden bereits negative und auch positive Eigenheiten unseres Zeitgeistes, der sich zunehmend verkürzt als „Mainstream“ darstellt, beschrieben.

Viele sagen zu allem „Ja“ was der Mainstream anbietet und es steht schon heute fest, dass wir das irgendwann einmal büßen müssen – nicht gerade in der altmodischen Hölle, von der die Kirche spricht, sondern eher im Sinne von André Gide, der in einem seiner Dramen sagte, dass wir mit dieser Hölle bereits zu Lebzeiten existieren müssten. Das heißt: so ganz stimmt das nicht: unsere „Hölle“ bzw. der Mainstream“ scheint eine sehr angenehme Hölle zu sein, sonst würden sich nicht so viele darum reißen, dem Mainstream nachzueifern.

Mainstream und Mode

Beides, Mainstream und Moden, sind Auswüchse des Massengeschmacks, wobei Moden sich eher auf einzelnen Gebieten entwickeln und in relativ kurzer Zeit durch andere Moden ersetzt werden, wobei von der vorangegangenen Mode meist nicht mehr viel übrigbleibt. Eine Mode (z.B. in der Art sich zu kleiden, Bärte zu tragen etc.) kann sich nach ein paar Jahrzehnten wiederholen, der Mainstream ist gefährlicher, er spiegelt den kulturellen Geschmack einer großen Mehrheit auf fast allen Lebensgebieten wieder und ist im Grunde eine Folge einer kulturellen Hegemonie, z.B. der des klassischen Bürgertums, das nicht so schnell wieder neu auferstehen wird. Es soll dieser Art von Bürgertum nicht nachgetrauert werden – ein paar nachahmenswerte Eigenschaften galten für weite Kreise dieses Bürgertums aber doch:

1). Bildungshunger und die Fähigkeit zu lesen, schreiben und sich korrekt auszudrücken.

2). Umgangsformen, die das private und berufliche Leben erleichtern.

3). Die Kritikfähigkeit/Urteilskraft modernen kulturellen Strömungen gegenüber, welche allerdings oft über das Ziel hinausschoss.

Kennzeichen des modernen Mainstreams

Die abnehmende Basisbildung die durch den Computer, bzw. das Internet bedingt, die Dinge eher aus der „Breite des Wissens“, als durch deren Tiefe zu betrachten ist eine gefährliche Grundlage moderner Bildungspolitik. Wer heute im Internet zu einem bestimmten Problem Fakten „recherchiert“, stößt auf eine Unzahl nahezu gleichartiger „Fakten“, die sich durch eben diese Vielzahl quasi selbst bestätigen. Dadurch werden, wie der Autor dieses Beitrags aus eigener Erfahrung weiß, oft wichtige gültige (bereits bestätigte) Fakten der Vergangenheit übersehen und die eigene Phantasie eingeengt. Der Computer und das Internet sind zwar unverzichtbare Errungenschaften unserer Zukunft – „Kreativitätsmaschinen“ sind sie jedoch nicht. Dies gilt insbesondere für die Natur- und Biowissenschaften.

Die erschreckende Anspruchslosigkeit der jüngeren Generation, die oft nur noch rudimentär rechnen schreiben und lesen kann, wird durch den selbstverständlichen Taschenrechner in der Schule, die Bildbezogenheit in Schulbüchern, Fragestellungen/Prüfungen im Multiple Choice Verfahren, durch das interaktive Arbeiten mit dem Computer und Internetspiele besonders gefördert. Oft langt die Schreibfähigkeit gerade noch zum Abfassen von SMS oder Facebook-Eintragungen (wobei die Orthografie auch hier oft zu wünschen übrig lässt).

Die zunehmende Abhängigkeit von allen Medien, besonders vom Fernsehen ergreift auch die ältere Generation, die um mit den Jungen mithalten zu können bzw. nicht rückständig zu wirken, wenig verbietet und nur selten zu irgendetwas „nein“ sagt.

Auch im modernen Kulturbetrieb sagen Gebildete fast zu allem „ja“, vermutlich ebenfalls um nicht rückständig zu wirken, aber auch deswegen, weil ihre Urteilskraft durch die Schule, ebenso wie durch ihre universitäre Ausbildung zunehmend eingeschränkt wird. Das gilt für einige moderne Kompositionen der Musik ebenso wie für Kunstrichtungen der konzeptionellen bildenden Kunst, in der oft das „Konzept“ dürftig ist. Die „ideelle Kunst“ der 60-iger Jahre und die Happening Events der 80-iger Jahre scheinen heute überwunden zu sein, dafür wird die „Trash-Kultur“ und das „cross-over“ zu neuen Schlagworten, ohne dass den teilweise positiven Einflüssen fremder Kulturen wirklich Rechnung getragen wird. Nicht alles was „fremd“ oder neu ist, ist grundsätzlich auch „gut“ – es bedürfte einer heute wenig trainierten Urteilskraft, um Unterschiede z.B. in der Musik überhaupt noch wahrzunehmen.

Anm.: In der Musik hat es Uminstrumentierungen und Transkriptionen immer gegeben, nur wurden diese Uminstrumentierungen fachgerecht und ohne kommerzielle Interessen durchgeführt. Heute wird alles uminstrumentiert, nur: ist es wirklich notwendig Kompositionen von J. S. Bach unbedingt mit dem Akkordeon oder mit der Maultrommel zu interpretieren? Es gibt viele, die durch die heute selbstverständlichen Uminterpretationen jegliche Sensibilität für Musik verloren haben, weil das Mischmasch der kommerziellen Vermarktung ihre Analysefähigkeit bzw. Urteilskraft eingeschränkt hat.

Es gäbe unendlich viele weitere Beispiele für die Auswüchse des Mainstreams, für die das „Ja“ zu Fehlentwicklungen ebenso selbstverständlich ist, wie das „Ja“ zu Konsumartikeln, die wir oft wirklich nicht brauchen.

Abschließend ein Zitat aus der Wikipedia Enzyklopädie zu einer MEPHISTO-Schuh Firma:

„MEPHISTO hat eine rasche und permanente Firmenentwicklung hinter sich die durch eine internationale Expansionspolitik gekennzeichnet ist. Das ursprüngliche Ziel des Gründers, die besten Schuhe der Welt herzustellen, betrachtet Mephisto als realisiert, in Nordamerika wurde erfolgreich die Werbebotschaft "MEPHISTO - World's finest footwear" verbreitet. Allerdings bleibt vergleichende Werbung in den USA folgenlos und ist üblich. Natürlich ist insoweit die Werbung, die in den USA eine guten Teil der Realität darstellt, aus Sicht des Unternehmens eine Selbst-Prophetie. Die Marke steht allerdings tatsächlich weltweit für Qualität, Komfort und Design: Technologien, Funktionen, eine (für eine Massenfertigung) optimierte Passform der Schuhe sowie eine ständige Aktualisierung der Kollektionen machen dies möglich“. (Ende des Zitats, Zugriff 8.2.2013).

Klingt vernünftig, doch die genannte Selbst-Prophetie“ entspricht auf vielen Ebenen unseres Lebens dem eingangs erwähnten „Geist der alles bejaht“.


 

(Fassung aus 2013, 2014 in die „Igler Reflexe“ übersiedelt, jetzt wieder in redigierter Form in dieses Magazin transferiert, 21.9.2016)

 

 

 

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