Wir leben in einem Zeitalter das zu Recht auch als Informationszeitalter bezeichnet werden kann, denn noch nie wurde die Menschheit täglich mit einer derartigen Fülle an Informationen auf nahezu allen Gebieten überhäuft. Nachfolgend soll versucht werden, die schwierigen Fragen zu beantworten: „Ist das „gut“ oder „schlecht“?. Oder: „gibt es eine Grenze, ab der Information unsinnig wird?“
Beim Versuch, diese Frage zu beantworten, muss man sich gleich zu Beginn darüber im Klaren sein, dass dies eine Bewertungsfrage ist und es schwierig sein wird, eine erforderliche Bewertungsskala zu erstellen. Man müsste sehr tief in die Materie der Erkenntnistheorie und Philosophie eindringen, um dann immer noch nicht genau erklären zu können, wo der Nutzen von Information im Alltagsgeschehen anfängt, bzw. wann Information zur „Pseudo-Information wird. Ziel des Beitrags kann also allenfalls sein, ein „feeling“ zur Beantwortung der Frage zu entwickeln.
Ein Eingangszitat von Ludwig Wittgenstein (1885-1951) aus seinem Werk „Über Gewissheit“ [1951] (1969), § 185“, ist hier vielleicht nützlich:
„Es käme mir lächerlich vor, die Existenz Napoleons bezweifeln zu wollen; aber wenn Einer die Existenz der Erde vor 150 Jahren bezweifelte, wäre ich vielleicht eher bereit aufzuhorchen, denn nun bezweifelt er unser gesamtes System der Evidenz. Es kommt mir vor, als sei das System sicherer als eine Sicherheit in ihm.
Wittgenstein zieht hier eine zwar sehr grobe, aber nützliche erste Grenze zwischen dem, was sinnvoll bzw. nicht sinnvoll ist.
Eine zweite (allerdings banale) Grenze wäre die Feststellung, zu unterscheiden, ob etwas für jemanden selbst nützlich ist (weil es ihn speziell interessiert), für andere jedoch vollständig uninteressant sein kann.
Ein weiterer Gesichtspunkt wäre, dass wir uns nur einbilden, etwas sei nützlich was durch Zeitungen, Nachrichtensendungen (Radio, TV, oder Internet-Onlinedienste) auf uns einströmt. Dem würde vielleicht entsprechen, dass jemand, der zwei oder drei Wochen von diesen Nachrichtenquellen abgeschnitten ist (z.B. im Urlaub) anschließend selten feststellt, etwas wirklich Wichtiges versäumt zu haben. Wer Unterhaltungsmagazine oder die Klatschspalten von Zeitungen liest, wird auch nach wesentlich längerem „Entzug“ kaum etwas versäumt haben – oder handelt es sich wirklich um echte Informationen, ob z.B. der Schauspieler X jetzt eine neue Freundin hat, oder wer wen mit wem betrogen hat.
Die Beurteilung von Fachinformationen in den Wissenschaften
Wissenschaftspublikationen haben sich in den letzten 6 Jahrzehnten, also jenen Jahrzehnten, die der Autor seit seiner Studienzeit überblicken kann, exponentiell vervielfacht. Das hat mehrere Gründe:
1). Es gibt viel mehr WissenschaftlerInnen, die ihre Forschungsergebnisse publizieren als vor 50 Jahren. Wenn zusätzlich die wachsende Zahl der StudentInnen berücksichtigt wird, die ihr Studium mit einem Diplom-, Master-, oder PhD-Degree beenden werden, wird die Publikationsflut weiter anwachsen.
2. Jede in einer Wissenschaft gelöste/beantwortete Frage wirft erfahrungsmäßig mehrere neue Fragen auf, die gleichfalls beantwortet und publiziert werden.
Ein Ende dieser Entwicklung ist nicht abzusehen, also kann die Publikations/Informationsflut nur wachsen. Die meisten WissenschaftlerInnen sehen das positiv - auch wenn es sich oft nur um eine geringfügige Wissensvermehrung bei dieser Wissensflut handelt, so könnte doch jeder kleine Baustein später einmal für weitere Forschungen wichtig sein.
Genau an diesem Punkt beginnen die Zweifel des Autors, der insbesondere mit der Wissensflut in der Chemie/Biochemie (eher noch überschaubar), der Medizin und der Molekulargenetik während seiner Berufszeit kämpfte und heute als Wissenschaftsautor mit einer immer größer werdenden Wissensflut konfrontiert ist. Zugegeben, die relativ neue Wissenschaft der Informatik erleichtert heute den WissenschaftlerInnen den Zugang zur angesprochenen Wissensflut – eben diese Informatiker sind jedoch aufgrund ihres Studiums nur dazu fähig, den Wissenszugang zu erleichtern, nicht jedoch zu bewerten.
Leider sind Datenbanken geduldig und verwalten alles, was in sie hineingestopft wird. Konnte man sich früher auf Zeitschriften wie „Nature“, „Science“ und die vielen anderen berühmten Wissenschaftsjournale fast hundertprozentig verlassen, so gab es bereits in der aktiven Berufszeit des Autors gelegentlich „Flopps“ in solchen Journalen, über die frau/man damals zunächst noch den Kopf schüttelte. Heute sind die meisten Leser selbst zum Kopfschütteln zu müde (oder auch zu unwissend) – es wird ganz einfach zu viel – auch minderrangiges – publiziert und daher kaum gelesen!
Anm.: In der universitären Forschung hängt das von den Ministerien oder Verwaltungsorganen bewilligte Budget oft von der Anzahl der Publikationen einer Forschungsgruppe ab – ein gewichtiger Grund, möglichst viel zu publizieren.
Zurück zum Ausgangsthema: Was ist es Wert, publiziert zu werden und was ist Pseudo-Information?
Dazu ein Wikipediazitat: „Information (lat. informare „bilden“, „eine Form, Gestalt, Auskunft geben“) ist im engeren Sinne eine geordnete Abfolge von Symbolen, deren Bedeutung der Empfänger entschlüsselt“ (Zitatende)
Zu dieser Begriffsbestimmung sollte hinzugefügt werden: „sofern er (der Empfänger) in der Lage ist, die Bedeutung zu erkennen“. Im Erkennen der Bedeutung der Notwendigkeit und Richtigkeit einer Information liegt das eigentliche Problem zur Unterscheidung von Information und Pseudoinformation. Dieses Erkennen erfordert in erster Linie einen relativ hohen Bildungsgrad der zu informierenden „Empfänger“. Da die Allgemeinbildung durch das Versagen der Ausbildungsstätten aus pädagogisch-soziologisch bedingten Gründen, jedoch wegen der in diesem Beitrag angeprangerten Überinformation ständig sinkt, die Überinformation (Pseuoinformation) jedoch weiter im Wachsen begriffen ist, kann nur folgende Empfehlung gegeben werden, die das Problem zwar nicht löst, dem eingangs erwähnten „feeling“ jedoch förderlich ist:
Hören Sie sich die Nachrichten renommierter Sender wie OE1 (ORF) ARD, ZDF etc. einmal unter folgenden analytischen Gesichtspunkten an:
• Wie viel unbewiesene Berichterstattung über augenblickliche Kriegsschauplätze wurde gesendet?
• Wie viele Absichtserklärungen von PolitikerInnen wurden (oft mit Interviews) mitgeteilt?
• Wie viele Wirtschaftsanalysen und Schätzungen (auch von einander differierende) wurden von Wirtschaftsexperten dargeboten?
• Wie viel redundante Information wurde vermittelt?
• Wie viel Zeit wurde zur Berichterstattung über Unglücksfälle in fernen Ländern aufgebracht (überall treten in jeder Minute mehrere Unglücksfälle auf – alle sind tragisch, jedoch handelt es sich für die „Empfänger“ der Berichterstattung im Grunde meist um Pseudoinformationen).
• Wie viel Zeit wird für oppositionelles Parteigeplänkel aufgebracht und wie viel davon ist zur Meinungsbildung wirklich erforderlich?
Wenn Sie am Schluss der Nachrichten (mit Ausnahme des Wetterberichtes) behaupten, fast alles habe Sie tatsächlich interessiert, dann ist bei Ihnen das erwähnte „feeling“ zur Unterscheidung zwischen Informationen und Pseudoinformationen noch nicht sehr ausgeprägt und Sie haben die Nachrichten vermutlich eher als eine Art Unterhaltungssendung konsumiert.
Resumée: Mehr als das angesprochene „feeling“ lässt sich auch durch erkenntnistheoretische Studien oder philosophische Analysen (außer in definierten Spezialfällen) kaum entwickeln. Die Grenzen zwischen Information und Pseudoinformation sind für unser Alltagsgeschehen oft fließend – umsomehr bedarf es eines geschärften „feelings“, wenn Information nicht einem schnell zunehmenden Inflationsprozess unterliegen soll.
(08.09.2011, redigiert 20.9.2016)